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Markets in Crypto-Assets (MiCA) – Harmonisierung mittels konkretisierungsbedürftigen Legaldefinitionen?

Zu welchem Zeitpunkt ist ein Kryptowert vom Regelungsgegenstand der MiCA betroffen? Um diese Frage zu beantworten, muss der sachliche Anwendungsbereich des Regelungsentwurfs erörtert werden, der im Allgemeinen den Anwendungsbereich einer Regulierung umschriebt.

Voraussetzungen für die sachliche Anwendbarkeit der MiCA ist, dass die Einordnung in einer der folgenden drei Kategorien möglich ist: Kryptowert (crypto-asset), wertreferenzierter Token (asset-referenced Token) oder E-Geld-Token (E-money Token). Unter diese Systembegriffe knüpft die jeweils massgebende Regulierung an. Jedoch erweisen sich die Legaldefinitionen dieser Systembegriffe als unscharf und unpräzise, weshalb Stand heute mit Schwierigkeiten bei der Rechtsanwendung zu rechnen ist.

Aktueller Stand hinsichtlich der MiCA:

Mit dem Hauptziel der Harmonisierung, hat die Europäische Kommission einen EU weiten Regelungsentwurf von «Crypto-assets» vorgelegt, unter dessen persönlichen Anwendungsbereich nun auch die Erbringer von Krypto-Dienstleistung fallen. Diese Krypto-Dienstleistungserbringer sehen sich nun mit der Frage konfrontiert, ob sie in ihrer spezifischen Erbringung von Dienstleistung, die im Zusammenhang mit Kryptowerten stehen, vom Regelungsstand der MiCA betroffen sind.

Der Entwurf ist dabei ein Teil eines Massnahmenpaketes für eine digitale Finanzstrategie. Wie sich bereits aus der Bezeichnung MiCA erschliessen lässt, lehnt sich der Name an MiFID II an und ist der Entwurf auch ähnlich strukturiert. Im Gegensatz zu MiFID II erfasst die MiCA, jedoch nicht nur Sekundärmärkte für Kryptowerte, sondern auch den Primärmarkt und somit deren Emission. Entscheidend ist, dass die Verordnung nur für Kryptowerte Anwendung findet, die nicht als Finanzinstrumente gemäss MiFID II oder Publikumseinlagen gemäss RL 2014/49 EU zu qualifizieren sind und dadurch bereits dem bisherigen Wertpapier- oder Bankenaufsichtsrecht unterlagen. Für solche ändert sich rein aufsichtsrechtlich nichts, selbst wenn sie tokenisiert sind.

Die europäische Verordnung besteht aus drei Hauptteilen:

  • Einer Primärmarktregulierung für das öffentliche Angebot von Kryptowerten.
  • Einer Bewilligungspflicht und prudentiellen Aufsicht für Krypto-Dienstleister bzw. für Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit Kryptowerten stehen.
  • Vorschriften zur Verhinderung von Marktmissbrauch mittels Bezug auf Kryptowerte, die zum Handel zugelassen sind.

Sachlicher Geltungsbereich:

Wie im Lead dieses Blogbeitrages erwähnt, wird der sachliche Geltungsbereich der MiCA durch die Systembegriffe Kryptowert, wertreferenzierter Token und E-Geld-Token bestimmt. Ein Kryptoerbringer hat demnach den sachlichen Anwendungsbereich der MiCA zu beachten, sollte ein Kryptowert im Zusammenhang mit einer seiner Dienstleistungserbringungen unter einen dieser Systembegriffe fallen.

Diese Regulierungstechnik entspricht derjenigen von MiFID II, die ihren sachlichen Anwendungsbereich ebenfalls über eine präzise Legaldefinition der Systembegriffe Finanzinstrumente und Wertpapierdienstleistungen gemäss Anhang I der MiFID II festlegt. Gleichwohl unterscheiden sich die beiden Regulierungen in ihrer Präzisionsdichte hinsichtlich der Legaldefinitionen ihrer Systembegriffe. Im Gegensatz zur MiFID II sind die entsprechenden Systembegriffe der MiCA unscharf und stark konkretisierungsbedürftig.

Nach Art. 3 Abs. 1 Ziff. 2 MiCA sind Kryptowerte „eine digitale Darstellung von Werten oder Rechten, die unter Verwendung der Distributed-Ledger-Technologie oder einer ähnlichen Technologie elektronisch übertragen und gespeichert werden können“. Diese Legaldefinition ist zwar bewusst weit gefasst, um alle Arten von DLT-basierten Vermögenswerten abzudecken, doch wird diese Weitabdeckung zulasten der Rechtssicherheit geopfert.

Diese Unschärfe und Konkretisierungsbedürftigkeit dürfte zu erheblichen Schwierigkeiten bei der Rechtsanwendung und ferner bei Unterstellungsfragen führen, sollte jene nicht im Gesetzgebungsverfahren entsprechend nachgebessert werden.

Erfasst von dieser unscharfen Legaldefinition sind insbesondere auch Nutzungstoken (Utility-Token), welche bisher nicht den Bestimmungen zum Verbraucher- und Anlegerschutz und zur Marktintegrität unterliegen, obwohl diese gleichwohl dieselben Arten von Risiken bergen.

Als Kryptowerte gelten ebenfalls sämtliche Token, die irgendwelche subjektiven Rechte repräsentieren (Anlagetoken), sofern sie nicht als Finanzinstrument gemäss MiFID II oder als Publikumseinlage zu qualifizieren sind. Auch Kryptowerte mit einem rein intrinsischen Wert werden von dieser Legaldefinition abgedeckt, und zwar auch dann, wenn sie keine wie auch immer gearteten Rechte gegenüber einem Emittenten verkörpern. Diese bilden aber dennoch eine digitale Darstellung von Werten. Bei rein dezentralen Kryptowährungen wie Bitcoin scheitert die aufsichtsrechtliche Erfassung an dem Umstand, dass keine identifizierbaren Emittenten ermittelt werden können. Dienstleistungen, welche sich auf solche „emittentenlose Kryptowährungen“ beziehen, fallen jedoch unter den zweiten Hauptteil der Verordnung.

Die beiden übrigen Systembegriffe des wertreferenzierten Tokens und des E-Geld-Tokens beziehen sich beide auf Kryptowerte, die gesetzliche Währungen oder andere Vermögenswerte verwenden, um eine Wertstabilität sicherzustellen (Art. 3 Abs. 1 Ziff. 3 und 4 MiCA). Der Unterschied liegt einerseits darin, dass bei wertreferenzierenden Token gesetzliche Währungen, Rohstoffe oder Kryptowerte als Bezugsgrundlage verwendet werden, demgegenüber repräsentieren E-Geld-Token nur eine einzelne gesetzliche Währung. Andererseits dienen E-Geld-Token hauptsächlich als Tauschmittel, während bei wertreferenzierenden Token die Zweckbestimmung nicht eingeschränkt ist. Eine Einstufung als wertreferenzierender Token trägt die Folge mit sich, dass der Emittent einer prudentiellen Bewilligungspflicht untersteht (Art. 15 ff. MiCA). Währenddessen ist die Emission von E-Geld Token den Kreditinstituten und E-Geld-Instituten vorbehalten (Art. 43 ff. MiCA).

Unscharf bleibt vor allem die Reichweite des Systembegriffes des wertreferenzierten Tokens. Ein solcher soll gemäss Legaldefinition nur vorliegen, sofern die Bezugnahme auf einen unterliegenden Wert dazu dient, Wertstabilität zu erreichen bzw. um den exakten Wortlaut der Bestimmung des Art. 3 Abs. 1 Ziff. 3 MiCA wiederzugeben: “um Wertstabilität zu erreichen“. Wertreferenzierte Token sind demnach nicht gleichzustellen mit Anlagetoken.

Zusammenfassend ergibt sich aus diesen Systembegriffen ein „Flickenteppich“, der nicht einfach zu überblicken ist. Es wird zu beobachten sein, ob dies im Gesetzgebungsverfahren noch nachgebessert wird.