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Verwaltung des (ruhenden) Nachlasses zwischen Tod und Einantwortung

Im Zeitraum zwischen Erbfall und Einantwortung gehört der Nachlass noch nicht dem/n Erben, aber auch nicht mehr dem Erblasser, dessen Rechtspersönlichkeit mit dem Tod erloschen ist. Man spricht von ruhendem Nachlass.

Bekanntlich darf in Liechtenstein niemand eine Erbschaft eigenmächtig in Besitz nehmen (§ 797 ABGB). Erst durch die Einantwortung des Nachlasses, also die Über­gabe in den rechtlichen Besitz, wird der Eigentumsübergang bewirkt. Erben erhalten die Verlassenschaft somit nicht bereits durch die entsprechende Erbantrittserkärung, sondern erst mit der gerichtlichen Einantwortung, mit der das Verlassenschafts­verfahren auch endet.

Nichtsdestotrotz muss der (ruhende) Nachlass natürlich vom Zeitpunkt des Todes des Erblassers bis zur erwähnten Einantwortung entsprechend verwaltet werden können.

Bis zur Einantwortung können die Erben durch die Erbringung des Ebrechtsausweises das Verlassenschaftsvermögen lediglich, aber eben auch immerhin, benützen und verwalten und die Verlassenschaft vertreten, es sei denn das Verlassenschaftsgericht habe etwas Anderes angeordnet (§ 810 Abs. 1 ABGB). Darin kommt die Erwartung zum Ausdruck, dass in der Regel jene Personen, die ihr Erbrecht nachweisen können, auch die wirklichen Erben sind. Demnach soll ihnen in Vorgriff auf ihr späteres Eigentums­recht schon vor der Einantwortung die Benützung, Verwaltung und Vertretung der Verlassenschaft zukommen.

Gibt es mehrere Erben, so üben sie dieses Recht gemeinsam aus, soweit sie nichts anderes vereinbaren. Das Landgericht stellt über Antrag eine Bestätigung über die Vertretungsbefugnis der Verlassenschaft aus (Art. 172 AussStrG). Einigen sich die Personen, denen gemeinschaftlich die Rechte nach § 810 ABGB zukommen, über die Art der Vertretung oder einzelne Vertretungshandlungen nicht, so hat das Gericht erforderlichenfalls einen Verlassenschaftskurator zu bestellen.

Details der Art der Verwaltung und Vertretung regelt § 810 Abs. 2 ABGB wie folgt:

Verwaltungs- und Vertretungshandlungen vor Abgabe von Erbantrittserklärungen zur gesamten Verlassenschaft sowie alle Veräusserungen von Gegenständen aus dem Verlassenschaftsvermögen bedürfen der Genehmigung des Verlassenschaftsgerichts, wenn sie nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören. Die Genehmigung ist zu versagen, wenn die Handlung für die Verlassenschaft offenbar nachteilig wäre.

Daraus kann gefolgert werden, dass sämtliche Massnahmen der ordentlichen Verwaltung und Vertretung genehmigungsfrei zulässig sind (auch der Verkauf oder die Prozessführung) und zwar schon bevor alle Erben eine Erbantrittserklärung abgegeben haben. Bis zur Abgabe von Erbantrittserklärungen bedürfen ausserordentliche Verwaltungs- und Vertretungshandlungen der gerichtlichen Genehmigung, wohin­gegen nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb zählende Veräusserungen von Gegenständen stets, also bis zur Einantwortung, einer solchen bedürfen. Nach Abgabe von Erbantrittserklärungen zum gesamten Nachlass sind somit sogar ausserordentliche Verwaltungsmassnahmen von der Genehmigungspflicht befreit (6 Ob 88/07w), wobei weiterhin ausserordentliche Veräusserungen von Verlassenschaftsgegenständen durch das Gericht genehmigungs­pflichtig bleiben.

Die Beurteilung, was zum ordentlichen und zum ausserordentlichen Wirtschafts­betrieb gehört, ist in Liechtenstein nicht gänzlich geklärt. Es sind aber wohl die Grundsätze von § 154 Abs. 3 ABGB beizuziehen (ausserordentlich unter anderem: Veräusserung und Belastung von Liegenschaften, die Gründung, der Erwerb, die Umwandlung, Veräusserung oder Auflösung sowie die Änderung des Gegenstandes eines Unternehmens, die Umwandlung einer Gesellschaft, die Annahme einer mit Belastungen verbundenen Schenkung oder die Ablehnung eines Schenkungsangebots, die Anlage von Geld, sowie die Erhebung einer Klage und alle verfahrensrechtlichen Verfügungen, die den Verfahrensgegenstand an sich betreffen). Anzuwenden sind aber auch die Grundsätze für gewöhnliche Verwaltungshandlungen nach Art. 26a Abs. 1 SR (Vornahme von Ausbesserungen, Anbau- und Erntearbeiten, zur kurzfristigen Verwahrung und Aufsicht sowie zum Abschluss der dazu dienenden Verträge und zur Ausübung der Befugnisse, die sich aus ihnen und aus den Miet-, Pacht- und Werkverträgen ergeben, einschliesslich der Bezahlung und Entgegennahme von Geldbeträgen für die Gesamtheit). Diese stehen im Gegensatz zu wichtigeren Verwaltungshandlungen nach Art. 26b Abs. 1 SR (z.B. Abschluss und die Auflösung von Miet- und Pachtverträgen).