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Wertrechte, Einsatzbeispiel bei der Ausgabe von Namenaktien einer Aktiengesellschaft

Liechtenstein hat Anfang 2020 gleichzeitig mit dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 3. Oktober 2019 über Token und VT-Dienstleister («TVTG»), Wertrechte in § 81a der Schlussabteilung des PGR («SchlT») einer gesetzlichen Regelung zugeführt. Die Regierung erläuterte in ihrem Bericht zur Schaffung des TVTG (2019 Nr. 54; «Bericht der Regierung»), dass der Zwang zur Verbriefung eines Rechts in einer physischen Urkunde seit langem nicht mehr zeitgemäss sei und sich mehr denn je als Hindernis für die Digitalisierung der Wirtschaft erweise.

Das Gesetz enthält keine Definition des Begriffs «Wertrechte», sondern hält nur fest, dass ein Schuldner «Rechte mit gleicher Funktion wie Wertpapiere» ausgeben kann. Es handelt sich somit um nicht-verbriefte Rechte, die so ausgestaltet sind, dass sie dieselben Funktionen wie ein Wertpapier öffentlichen Glaubens (Inhaber- oder Orderpapier) erfüllen. Im Sinne des Gesetzes ist ein Wertpapier jede Urkunde, in der ein Recht derart verbrieft ist, dass es ohne die Urkunde weder verwertet, noch geltend gemacht, noch auf andere übertragen werden kann (§ 73 Abs. 1 SchlT). Wertpapieren öffentlichen Glaubens kommen im Wesentlichen die Transportfunktion (Übertragung des Rechts durch Übertragung der Wertpapierurkunde), die Legitimationsfunktion (Legitimation durch Besitz der Urkunde), die Liberationsfunktion (schuldbefreiende Leistung des Schuldners an den berechtigten Inhaber der Wertpapierurkunde) und die Verkehrsschutzfunktion (bei gutgläubigem Erwerb der Wertpapierurkunde auch Erwerb des Rechts) zu.

Beim Wertrecht gibt es keine Urkunde, die die genannten Funktionen erfüllt. Anstelle der Urkunde gibt es ein Register, dem bei der Erfüllung der Funktionen zentrale Stellung zukommt. Einem echten Wertrecht kommen alle Funktionen eines Wertpapiers zu. Folglich enthält § 81a SchlT entsprechende Bestimmungen bezüglich der verschiedenen Funktionen.

Grundsätzlich sollte es gemäss Bericht der Regierung möglich sein, alle Arten von subjektiven Rechten, die Gegenstand des Rechtsverkehrs sein können, als Wertrecht abzubilden, wobei in der Praxis vertretbare (fungible) Forderungen sowie mitgliedschaftsrechtliche Positionen in Körperschaften und Gesellschaften die wesentlichen Anwendungsbereiche sein werden. Demnach können vor allem Aktien einer AG, in der Form von Inhaber- oder Namenaktien, als Wertrechte ausgestaltet werden. Nachstehende Ausführungen fokussieren auf Namenaktien.

Vorteile der Ausgabe von Namenaktien als Wertrechte können die beachtliche Reduzierung des Aufwands sein, der sich aus der Erstellung von Aktienurkunden und deren Aufbewahrung, oder der sich etwa bei der Übertragung der Aktienurkunde ergibt. Auch das Verlustrisiko wird mangels einer Aktienurkunde minimiert. Allerdings, und darauf wird weiter unten eingegangen, ist ein Wertrechtebuch zu führen, welches gewissen Anforderungen zu genügen hat.

Fundamentale Voraussetzung, damit Aktien bzw. Namenaktien als Wertrechte ausgegeben werden können, ist eine entsprechende Grundlage in den Statuten der AG. Demnach müssen die Statuten ausdrücklich festhalten, dass die Ausgabe der Aktien als Wertrechte zulässig ist (§ 81a Abs. 1). Anzumerken ist, dass die in Art. 267 Abs. 1 PGR vorgesehene Möglichkeit, in den Statuten vorzusehen, dass keine Aktienurkunden ausgegeben werden, nicht gleichbedeutend ist mit der Anordnung, dass die Aktien als Wertrechte (ebenfalls keine Aktienurkunde), ausgegeben werden. Die in Art. 267 Abs. 1 PGR vorgesehene Möglichkeit ist klar von § 81a SchlT zu unterscheiden.

Der Schuldner führt über die von ihm ausgegebenen Wertrechte ein Buch («Wertrechtebuch»), in welches die Anzahl und Stückelung der ausgegebenen Wertrechte sowie die Gläubiger einzutragen sind (§ 81a Abs. 2 SchlT). Für Namenaktien bedeutet das, dass die AG bzw. deren Verwaltungsrat das Wertrechtebuch zu führen hat, in das die Anzahl und Stückelung der Namenaktien sowie deren Eigentümer mit Name/Firma und Anschrift aufzunehmen sind. Wichtig ist, dass alle wertpapierrechtlichen Funktionen, welche dem Wertrecht zukommen, auf den Eintragungen im Wertrechtebuch beruhen. So entsteht das Wertrecht mit der Eintragung in das Wertrechtebuch (§ 81a Abs. 3 SchlT) und besteht nach Massgabe der Eintragung. Das heisst, die Eintragung in das Wertrechtebuch hat konstitutive Wirkung für die Namenaktie als Wertrecht. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob die mitgliedschaftsrechtlichen Rechte des Namenaktionärs entstanden sind, die sich nach Gesellschaftsrecht (PGR) richtet. Das Wertrechtebuch kann auch unter Verwendung vertrauenswürdiger Technologien im Sinne des TVTG geführt werden. Jedenfalls ist es so zu organisieren, dass unberechtigte Eingriffe der AG in Rechte der Aktionäre ausgeschlossen sind (§ 81a Abs. 2 SchlT letzter Satz). Das kann erfolgen, indem z. B. die Führung des Wertrechtebuchs an einen unabhängigen Dritten ausgelagert wird oder den Aktionären Mitwirkungsrechte bei Eintragungen eingeräumt werden. Ein Wertrechtebuch, welches nicht so organisiert ist, dass unberechtigte Eingriffe des Schuldners in Rechte des Gläubigers bzw. Aktionärs ausgeschlossen sind, ist gemäss Bericht der Regierung kein Wertrechtebuch im Sinne des Gesetzes, weshalb darin eingetragene Rechte nicht als Wertrechte zu qualifizieren sind.

Auch die Übertragung von Wertrechten oder die Bestellung beschränkter dinglicher Rechte wie z. B. eines Pfandrechts passiert durch Eintragung des Erwerbers bzw. des Pfandgläubigers im Wertrechtebuch. Für die Übertragung von Namenaktien, die als Wertrechte ausgegeben wurden, fällt somit die Indossierung weg, und ist die Eintragung des Erwerbers im Wertrechtebuch massgebend (siehe Bericht der Regierung S. 119). Erforderlich bleibt selbstredend ein Rechtsgrund für die Übertragung oder Verpfändung der Namenaktie (§ 75 Abs. 1 SchlT). Zudem ist weiterhin notwendig, den Aktionär bzw. den Erwerber in das Aktienbuch der AG einzutragen, da gemäss Art. 328 Abs. 2 PGR im Verhältnis zur Gesellschaft als Aktionär betrachtet wird, wer in das Aktienbuch eingetragen ist. Diese gesellschaftsrechtliche Anforderung bleibt bestehen. Der Bericht der Regierung weist schliesslich darauf hin, dass das Wertrechtebuch sowie das Aktienbuch auf Grundlage von ein und demselben elektronischen System geführt werden können.

Der gutgläubige Erwerb von Rechten an Wertrechten (Verkehrsschutzfunktion) richtet sich ebenfalls nach der Eintragung im Wertrechtebuch: Demnach wird in seinem Erwerb geschützt, wer von dem im Wertrechtebuch Eingetragenen Rechte an den Namenaktien erwirbt, auch wenn der Veräusserer nicht zur Verfügung befugt war (§ 81a Abs. 5 SchlT). Schliesslich ist die AG nur an den im Wertrechtebuch (und Aktienbuch) eingetragenen Aktionär zu leisten verpflichtet, und wird diese durch eine bei Verfall erfolgte Leistung an den im Wertrechtebuch Aufscheinenden befreit, wenn der AG nicht Arglist oder grobe Fahrlässigkeit zur Last fällt.

Abschliessend kann gesagt werden, dass § 81a SchlT interessante Möglichkeiten eröffnet, um Namenaktien unverbrieft als Wertrechte auszugeben, um dadurch den Aufwand mit Aktienzertifikaten als Wertpapier zu reduzieren. Dabei kommt dem Wertrechtebuch eine zentrale Stellung zu.